Viele Arbeitgeber versuchen leider auch den letzten Euro einzusparen, wenn es darum geht, die Personalkosten gering zu halten. Leider geschieht dies dann auf dem Rücken der oftmals ahnungslosen, bzw. auf den schlechten Job angewiesenen Mitarbeiter. Insbesondere Fahrtzeiten, die beim Besuch von Kunden entstehen, sind dabei oftmals eine gerne in Anspruch genommene Möglichkeit, um dem Mitarbeiter Geld vorzuenthalten. Aber ab wann und in welchen Fällen gilt die Fahrzeit als tatsächliche Arbeitszeit und muss vergütet werden?

Gilt der allgemeine Arbeitsweg als Arbeitszeit?

Zuerst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Fahrt zum Betrieb vor Arbeitsbeginn (sowie die Rückfahrt nach Hause) keine Arbeitszeit, sondern reines Privatvergnügen ist. Die Anreise zur eigentlichen, festen Arbeitsstätte, bzw. dem Hauptsitz, bei dem man angestellt ist, zählt nicht als Arbeitszeit. Dies dürfte bei den meisten klassischen Jobs der Fall sein, bei denen der Arbeitnehmer den gesamten Arbeitstag im Betrieb des Arbeitgebers verbringt.

Azubis aufgepasst: Oftmals sollen, zumindest volljährige Auszubildende, nach Schulende auch an Berufsschultagen noch in den Betrieb kommen. Die Fahrtzeit von der Schule bis zum Betrieb ist auch Arbeitszeit! Allerdings kann der Arbeitgeber tatsächlich auch dann wenn es völlig unsinnig ist verlangen, dass man noch in den Betrieb fährt. So gab es in der Berufsschulklasse meines Ehemanns jemanden der ca. eine Stunde Fahrtweg von der Schule bis zum Betrieb zurücklegen musste um dort noch 15 Minuten zu arbeiten! Rechtlich leider in Ordnung, auch wenn er den Computer nur an und wieder ausgemacht hat.

Teilweise im Home-Office?

Das eben geschilderte gilt nicht für Fahrten aus dem Homeoffice heraus, wenn der Arbeitnehmer von dort aus z. B. einen Kundentermin antritt. Wird er während seiner Arbeit im Homeoffice ins Büro gerufen, so gilt diese Fahrt beispielsweise dann ebenfalls als Dienstreise und muss vollständig vom Arbeitgeber erstattet werden und zählt natürlich auch als Arbeitszeit. Dies wurde in folgendem Beschluss festgehalten: BAG, Ur­teil vom 25.04.2018 – 5 AZR 424/17 (LAG Ham­burg), BeckRS 2018, 17272

In der modernen “flexiblen” Arbeitswelt ist eine Unterscheidung wann ein Arbeitstag angefangen hat, aber zunehmend schwerer. Hat man beispielsweise ein Firmen-Handy und hat schon vor der Fahrt zum Betrieb zehn E-Mails von Kollegen beantwortet, hat der Arbeitstag wohl bereits angefangen. Oder nicht?

Insbesondere in solchen Fällen, tut man sich als Arbeitnehmer den zusätzlichen Stress mit der Personalabteilung oder dem Chef meistens nicht an und versucht das dann eher durch verlängerte Mittagspausen oder dergleichen wieder herauszuholen, wenn der Chef nicht zahlt. Aber hier ist Vorsicht geboten. Auch wenn man nur für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt, begeht man durch solche Tricksereien trotzdem erst einmal Arbeitszeitbetrug.

In Home-Office-Zeiten wie in der vergangenen Pandemie-Phase kommen Arbeitgeber auch auf so nette Ideen, wie die, dass der Arbeitnehmer im Home-Office unentgeltlich länger arbeiten könnte, da er den Fahrtweg zur Arbeit gespart hat. So einem Unsinn muss man natürlich nicht Folge leisten und sollte ohne entsprechende Überstundenvergütung auch nicht länger arbeiten.

Dauerhafter Home-Office-Arbeitsplatz?

Es gibt mittlerweile viele Menschen die in Vollzeit im Home-Office arbeiten. In einem solchen Fall sollte man darauf achten, wie die erste Betriebsstätte definiert und vertraglich niedergeschrieben wurde. Ist vereinbart worden, dass man grundsätzlich nur im Home-Office arbeitet, so kann der Arbeitgeber vermutlich nicht ohne eine zustimmungspflichtige Vertragsänderung entscheiden dass man nicht mehr vollständig aus dem Home-Office arbeiten kann und regelmäßig in den Betrieb fahren muss. Bei einem reinen Home-Office-Job dürfte es sich wohl bei jeder Fahrt zum Betrieb um eine Dienstreise handeln, außer der Arbeitgeber definiert trotzdem im Vertrag seinen Firmensatz als Betriebsstätte. Dies dürfte wohl meistens der Fall sein, um sich solche Auseinandersetzungen und Arbeitszeitanrechnungen vom Hals zu schaffen.

Fahrt mit einem Dienstwagen?

Wer einen Dienstwagen fährt und damit also auch zur Arbeit und nach Hause kommt, könnte auf die Idee kommen, dass diese Fahrten auch dienstlich seien und zur Arbeitszeit zählen. Dies ist aber, bis auf die Fahrt direkt zum Kunden im Laufe des Tages oder wenn man Besorgungen für den Arbeitgeber tätigt oder unterhalb des laufenden Arbeitstages ins Büro soll, auf keinen Fall so zu werten.

Wer auf die Idee kommt, er benötigt keine Privatnutzung des Firmenwagens um keine Steuern für die Nutzung des Fahrzeugs zahlen zu müssen sei auch gewarnt: Auch aus steuerlicher Sicht ist die Fahrt mit einem Dienstwagen zur Firma und nach Hause eine private Nutzung des Fahrzeugs!

Ist die Fahrt zur Baustelle oder zum Kunden Arbeitszeit?

Anders kann es jedoch aussehen, wenn man keinen wirklich festen Arbeitsort hat, sondern von Einsatzort zu Einsatzort, bzw. von Kunde zu Kunde fährt. Das betrifft besonders Angestellte im Außendienst, Bauarbeiter und Handwerker, die sich in der Regel direkt vom Wohnort aus auf den Weg zum Kunden machen.

Hier gibt es zumindest für das Baugewerbe die Regelung, dass die Fahrt zur Baustelle keine Arbeitszeit darstellt, wenn diese als Arbeitsort festgelegt wurde. Dies wird oftmals auch durch betriebliche Vereinbarungen mit dem Betriebsrat so geregelt. Allerdings gibt es natürlich wie immer Ausnahmen, die von den Arbeitgebern oftmals leider nicht bezahlt werden wollen.

Sollte man angewiesen werden am Morgen zuerst in den Betrieb zu fahren um bspw. Material aufzuladen oder dort Kollegen einzusammeln und Absprachen zu treffen, dann ist das natürlich schon Arbeitszeit (Wegezeiten als Arbeitszeit gemäß § 2 Abs. 1 ArbZG). Diese beginnt dann ab der Ankunft auf dem Betriebsgelände. Dies sieht der Arbeitgeber eventuell anders, ist aber dann Quatsch. Lediglich wenn man nicht auf Weisung des Abreitgebers dorthin fährt könnte er vielleicht argumentieren, dass ein Treffen in der Firma nicht vorgegeben war.

Aber auch wenn man z. B. noch ein Bauteil eigenmächtig abholt, weil man dieses benötigt, würde die Zeit im Betrieb wohl als Arbeitszeit gelten. Im Zweifel könnte der Arbeitnehmer sonst besser direkt zur Baustelle fahren, es würde irgendwann auffallen dass das Bauteil fehlt und man müsste auch dann während der Arbeitszeit zum Betrieb fahren oder in einen Markt vor Ort um das Bauteil aufzutreiben.

Ebenso verhält es sich mit der Rückfahrt von der Baustelle. Muss nach Beendigung der Arbeit an der Baustelle noch in den Betrieb gefahren werden um dort etwas abzuladen, so handelt es sich auch in diesem Fall um Arbeitszeit, da eine dienstliche Fahrt stattgefunden hat. Nur wenn man sich auf den direkten Weg nach Hause macht und nicht im Betrieb vorbeifahren soll, handelt es sich um keine Arbeitszeit.

Ist man z. B. als IT-Consultant unterwegs und man wird für längere Zeit ganztägig bei einem Kunden tätig und fährt auch nur zu diesem Kunden, dann ist vermutlich dessen Betriebsstandort als erste Tätigkeitsstätte zu werten. Sofern man morgens nicht zum eigenen Arbeitgeber muss, wird die Fahrtzeit zum Kunden somit als Privatvergnügen enden. Allerdings sollte man sich bei Nutzung eines Privat-PKWs zumindest die Differenz zwischen der Entfernung zum Arbeitgeber und zum Kunden erstatten lassen! Dies sollte möglich sein, sofern keine gegenteilige Vereinbarung im Arbeitsvertrag getroffen wurde. Allerdings könnte eine solche auch unwirksam sein, wenn sie zum Nachteil des Arbeitnehmers formuliert wurde. Eine mehrere hundert Kilometer lange tägliche Anreise auf Kosten des Arbeitnehmers dürfte somit nicht erlaubt sein.

Grundsätzlich kann man sich wohl am besten daran orientieren, ob man morgens in den Hauptbetrieb oder direkt zur Arbeitsstelle, also dort wo man die Arbeit letztendlich verrichtet (Baustelle oder Kunde), fährt. Dort beginnt dann im Regelfall auch die Arbeitszeit.

Was ist bei einem Verkehrsstau oder einem Unfall?

Jetzt ist zwar geklärt wann Fahrten wohl als Arbeitszeit gelten und wann nicht, aber es gibt ja immer spannende Sonderfälle.

Interessant ist z. B. die Frage was bei einem Verkehrsstau oder einer Panne passiert? Kann man z. B. von zu Hause nicht in der vorgegebenen Zeit zur Baustelle oder zum Kunden fahren und verspätet sich, so beginnt im schlechtesten Fall die eigentliche Arbeitszeit erst wesentlich später, obwohl man vielleicht schon drei Stunden unterwegs ist und auch rechtzeitig losgefahren ist. Ist man im zähen Feierabendverkehr auf dem Rückweg und entscheidet sich noch zur Firma zu fahren um den Wagen auszuräumen und für den Folgetag wieder zu beladen, so war wohl auch ein einstündiger Stau Arbeitszeit, die vergütet werden muss.

Ebenfalls ändert sich durch solche Vorfälle nichts an der täglich zugelassenen Höchstarbeitszeit. Hat man also acht Stunden gearbeitet und muss noch zur Firma fahren und steht bereits vier Stunden wegen einer Panne auf der Autobahn, so ist die zugelassene maximale Arbeitszeit von zehn Stunden schon überschritten. Fährt man jedoch doch nicht mehr zum Betrieb hat man die gesamte Rückfahrzeit “verschenkt”.

Fragwürdig was in einem solchen Fall zu beachten ist.

Zumindest für Außendienstler gab es wohl gerichtliche Entscheidungen diesbezüglich und Klauseln im Arbeitsvertrag, die eine Vergütung von Stauzeiten ausschließen, wurden für nichtig erklärt. Allerdings darf ein Arbeitnehmer nicht auf die Idee kommen eine Route auf der es schleppend vorangeht absichtlich zu wählen, denn für so ein Verhalten kann man sogar abgemahnt werden.

Du fühlst dich auf der Arbeit überfordert und auch sonst gestresst wegen solcher nervigen Themen? Vereinbare jetzt ein Coaching bei mir unter: https://www.seelenhilfe-brueggen.de/

Ist die Fahrt zum Seminar Arbeitszeit?

Ordnet einem der Arbeitgeber ein Seminar an oder andere Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen an, so gilt auch diese Reise dorthin entsprechend als Arbeitszeit. Natürlich sieht das BAG auch vor, dass die dort verbrachte Zeit dann nicht nur als Dienstreise vergütet wird, sondern eben auch die Fahrzeit als Arbeitszeit anzurechnen sind. Das soll laut dem Urteil vom 17.10.2018 – 5 AZR 553/17 ebenfalls für Dienstreisen ins Ausland gelten. Doch auch in diesem Fall hat das BAG offen gelassen, in welcher Höhe die Vergütung stattfinden soll. Daher wird man auch hier eher den Mindestlohn als unterste Grenze als Richtwert nehmen können.

Bis zu welcher Dauer gilt die Fahrzeit als Arbeitszeit?

In einigen Berufen besteht ein großer Teil des Tages bereits aus der Fahrzeit zu entsprechenden Einsatzorten, beispielsweise bei Handwerkern, die zu Kundenaufträgen fahren oder auch bei Pflegepersonal, die sich zu den Patienten begeben. Daher kommt natürlich die Frage auf, bis zu welcher Dauer die Fahrzeit als Arbeitszeit gilt. Sofern es sich nicht um die Fahrt an einen festen Arbeitsort handelt, zählt eben jede Fahrt. Egal ob hin oder zurück, oder von einem Kunden direkt weiter zum nächsten. Liegen also zwischen zwei Einsatzorten beispielsweise drei Stunden Fahrzeit, so gilt diese ebenfalls als Arbeitszeit. Dass man für den Rückweg natürlich dann auch nochmal drei Stunden brauchen wird und der Mitarbeiter somit nur knapp zwei Stunden von seinem Acht-Stunden-Tag arbeitet ist zwar für den Arbeitgeber doof, zählt aber dennoch als Arbeitszeit.

Wie wird die Fahrzeit vergütet?

Ob eine Vergütung stattfinden muss und in welcher Höhe diese zu bezahlen ist, das hat der Gesetzgeber nicht klar definiert. Im Grunde ist es einfach anzurechnende Arbeitszeit, die somit von der regulären Arbeitszeit abgezogen werden muss, also quasi einfach mit dem normalen Lohn vergütet wird.

Allerdings kann die Vergütung auch, wohl aufgrund der niedrigeren Tätigkeit, auf den Mindestlohn heruntergedrückt werden. Dies wurde vom Gesetzesgeber als untere Grenze festgelegt. Das zu unterschreiten oder sogar gar keine Berücksichtigung und Vergütung der Fahrtzeiten vorzunehmen, ist dadurch nicht nur gesetzeswidrig, sondern auch einfach nur ein asoziales Verhalten des Arbeitgebers.

Für den Arbeitgeber geht es bei der Vergütung von Fahrzeit um enorm viel Geld. Zum einen muss er diese Zeit wenigstens mit dem Mindestlohn vergüten und zum anderen ist diese Zeit nicht zusätzlich zur Arbeitszeit verfügbar, sondern zählt nun mal eben dazu und das heißt auch, in dieser Zeit geschieht in den Augen des Unternehmens nichts sinnvolles. Doch egal wie ärgerlich dies für den Arbeitgeber sein mag, er kommt nicht um den Mindestlohn von bald 10,45 Euro brutto pro geleisteter Fahrstunde rum.

Als Arbeitnehmer sollte man dennoch vorab prüfen, ob eventuelle Überstunden, etc. mit dem normalen Gehalt bis zu einer gewissen Anzahl mit vergütet sind, denn dann könnte die Fahrtzeit als Überstunde abgetan werden und somit mit dem normalen Gehalt bereits ausgezahlt sein. Oftmals findet sich solch ein Passus in Tarif- oder individuellen Verträgen wieder.

So fand sich in einem alten, wirklich schlechten, Arbeitsvertrags meines Ehemannes ein solcher Passus wieder:

Klarstellend wird festgehalten, dass etwaige, außerhalb der regulären Arbeitszeit anfallende Reisezeiten im Hinblick auf die Höhe der vom Mitarbeiter bezogenen Vergütung bis 3 Stunden pro Reisetag durch das reguläre Gehalt mit abgegolten werden.

Wichtiger Hinweis

Die Informationen aus diesem Artikel basieren nur auf eigenen Erfahrungen und Recherchen und stellen in keinerlei Hinsicht eine rechtliche Beratung dar! Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und -nehmer sollte man sich daher auf jeden Fall von einem entsprechenden Anwalt beraten lassen.